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Wozu brauchen wir angesichts dreier unabhängiger Satellitennavigationssysteme noch Astronavigation? Kann ein Sextant an Bord die Sicherheit erhöhen und ist der stets vorgebrachte Satz von der „guten Seemannschaft“ auch heute noch ein Argument für ein Astronavigations-Backup?

Die meisten Skipper sind heutzutage ohne Astronavigations-Backup unterwegs und vertrauen blind der Technik ihrer Satellitennavigation. Astronavigation – so wie sie ganz offiziell und aktuell im Zeitalter der künstlichen Intelligenz, in einem Notfall immer noch benutzt werden soll – ist nämlich eine wahre Zumutung, die niemand haben will. Wer den Hochseeschifferschein machen will, kommt am Studium der klassischen Methode der Astronavigation allerdings nicht vorbei. Wem das Selbststudium nicht liegt, der bezahlt dann vielleicht einen teuren Lehrgang. Außer einer Erweiterung des Allgemeinwissens, was ja immer ein Gewinn ist, wird der Zweck des Lehrgangs vor allem nur darin gesehen, die anstehende Prüfung zu bestehen. Wenige Wochen später ist ohnehin alles wieder vergessen und der ganze vielleicht erhoffte Nutzen dahin.

Warum wird der Grundsatz einer guten Seemannschaft, der besagt, dass für jedes System IMMER ein Ersatzsystem an Bord sein muss, im Fall der Navigation allgemein als verzichtbar betrachtet? So ehrenwert die hohe Steuermannskunst der letzten Seefahrergeneration vor dem Satellitenzeitalter auch war, diese jetzt unverändert als Notfall-Backup in unserer Zeit weiter verwenden zu wollen, war und ist keine gute Idee. Diese grafischen Navigationsverfahren, entstanden im 19. Jahrhundert und waren mehr als 150 Jahre lang Standard in der weltweiten Seefahrt. Freilich waren schon damals präzise analytische Verfahren zur Standortbestimmung auf See bekannt, doch sie mussten verworfen werden, weil es keine Computer gab. Das hat sich allerdings geändert. Wir sind es gewohnt mit Computern zu arbeiten. Niemand will sich heute und in Zukunft noch mit den Werkzeugen und Mitteln vergangener Generationen herumplagen müssen.

Ein Ausfall der Satellitennavigation ist nicht unmöglich. Satellitensignale können gestört oder Bordsysteme ausgefallen sein. Beides hat es schon gegeben und eine Nichtverfügbarkeit der Satellitennavigation würde ein Boot auf dem Meer sofort ins 19. Jahrhundert zurückschicken. Die See ist nun mal kein sicherer Ort. Gebraucht wird deshalb eine Astronavigation, die ad hoc von jedem benutzt werden kann und zwar ohne jegliche Voraussetzungen in Mathematik oder Astronomie und ohne einen Stapel astronomischer Unterlagen dabei haben zu müssen. Ihre Benutzung muss gewissermaßen selbsterklärend sein.

Exakte Navigationsverfahren sind seit dem 18. Jahrhundert bekannt und gehen auf Arbeiten berühmter Mathematiker wie Leonhard Euler oder Carl Friedrich Gauß zurück. Man bezeichnet sie als analytische Verfahren. Sie ermöglichen die Bestimmung eines Standortes auf See aus lediglich zwei gemessenen Gestirnshöhen und das ausschließlich auf rechnerischem Weg. Diese Verfahren sind als einzige für eine automatisierte Bestimmung einer globalen Position geeignet, wie das in der Satellitennavigation üblich ist. Der einzige Unterschied in der Anwendung besteht darin, dass die Bildpunktentfernung eines Navigationsgestirns manuell mit einem Sextanten von der Erde aus gemessen werden muss. Im Gegensatz zu Satelliten können natürliche Himmelskörper ihre Entfernung nicht mit Funksignalen übertragen.

Über Astronavigation sind schon viele Bücher geschrieben und Artikel in Fachzeitschriften veröffentlicht worden und auch im Internet finden sich zahlreiche Beiträge. Darüber hinaus sind viele Computerprogramme und Apps bekannt, die das Navigieren mit Gestirnen erleichtern sollen. Doch alles was man hier finden kann, dreht sich immer nur um das Höhenverfahren von Saint Hilaire. Wer einen Lehrgang bucht – die gibt es natürlich immer noch – bekommt auch nichts anderes geboten als Hilaire in seinen verschiedenen Varianten. Dieses grafische Näherungsverfahren passt allerdings längst nicht mehr in unsere Zeit, wo Digitalisierung und KI vorherrschend sind. Sollte man Astronavigation deshalb ganz verschwinden lassen? Das würde allerdings zu weit gehen, denn sie ist und bleibt ein letzter und einziger Rettungsanker. So kommt es vielmehr darauf an, Astronavigation für unser moderne Zeit verwendbar zu machen. Doch das geht ironischerweise nur mit den sehr alten Verfahren, die lange Zeit vor Saint Hilaire  entstanden und inzwischen vergessen sind. Darum ist es geboten, diese auf einer WEB-Seite wie diese und in einem Buch vorzustellen. Weil die grafische Astronavigation, von Thomas Sumner und Saint Hilaire auch als moderne Astronavigation bekannt geworden ist, bekam diese WEB-Seite den Titel Postmoderne Astronavigation.